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Wochenend und Sonnenschein – und Cachaça ;-)

Veröffentlicht am 20.12.2013

So, an meinem dritten Wochenende hab ich mich noch mal auf den Weg nach Sao Paulo gemacht, dieses Mal nicht zu den ganz so touristischen Zielen, sondern eher zu einem Spaziergang durch ein paar Stadtviertel, in denen auch heute noch viele Einwanderer leben

So, an meinem dritten Wochenende hab ich mich noch mal auf den Weg nach Sao Paulo gemacht, dieses Mal nicht zu den ganz so touristischen Zielen, sondern eher zu einem Spaziergang durch ein paar Stadtviertel, in denen auch heute noch viele Einwanderer leben und die Stadt mit Leben füllen, um einfach einen besseren Eindruck dieser Stadt und ihrer Einwohner zu bekommen.
Deshalb habe ich meinen Rundgang in „Liberdade“ begonnen, einem Viertel in Sao Paulo, in dem die größte japanische Gemeinde außerhalb Japans lebt, was sich vor allem dadurch bemerkbar macht, dass viele Geschäfte entweder zweisprachig oder eben nur japanisch beschriftet sind und die Straßenlaternen seltsam asiatisch aussehen.
Klar, der geneigte Beobachter könnte es auch daran merken, dass sich dort lauter Japaner aufhalten, die eben nicht wie uns Europäern hinreichend bekannt mit Sandalen, Schirmmützen und großen Video- und Fotokameras bewaffnet ihrem Reiseleiter hinterhertigern, sondern in den Bars am Straßenrand sitzen, Bier trinken und einem der örtlichen Fußballklubs zujubeln, deren Spiele natürlich auch hier überall übertragen werden – Einen Fernseher kann sich sogar der kleine Zeitungskiosk leisten…

Danach bin ich durch „Bela Vista“, zur Avenida Paulista zurück gelaufen, an den vielen Pizzerien unschwer zu erkennen ein italienisches Viertel, in dem mir auch einige Gruppen „Punks“, die durch ihre T-Shirts eindeutig der hiesigen AntiFa-Bewegung zuzuordnen waren, und mehrere Leute mit langen Rastas begegnet sind, offensichtlich also auch ein eher etwa alternatives Viertel, in dem es ebenfalls das ein oder andere Etablissement mit auffallend roter Leuchtreklame an der Außenwand gibt, speziell an der Rua Augusta.

Zurück an der Avenida Paulista bin ich dann in einen Strom aus Fans des Fussballklubs „Palmeiras“ geraten, die heute wohl ihr Heimspiel im zentral gelegenen Pacaembu-Stadion austragen werden. Gleichzeitig ist auf dem Weg von der Metro zum Stadion ein Jugendgottesdienst zu Ende gegangen mit einer nicht geringen Anzahl an teilnehmenden Pfadfinder-Gruppen, die jetzt natürlich nicht mit den Fans bergab Richtung Stadion drängen wollten, sondern in ihrer Formation in die entgegengesetzte Richtung zur Metro marschierten; und ich hab mich mittendrin treiben lassen und kann bestätigen: die Brasilianer sind gern in Gesellschaft und haben auch mit unkontrollierbaren Menschenmassen überhaupt kein Problem!

Schließlich bin auch ich noch zur Metro gekommen und in ein etwas weiter vom Zentrum entferntes Viertel namens „Vila Madalena“ gefahren, dass in Nähe des großen Uni-Campus liegt und deshalb von vielen Studenten, Künstlern und Intellektuellen bewohnt wird (so schreibts zumindest der Lonely Planet).
Und: es gibt dort eine sehr lebendige Kneipenszene! Also genau das Richtige, nachdem in Alphaville am Wochenende wirklich gar nichts los ist, zumindest nicht außerhalb der eingezäunten und streng bewachten Wohnviertel (Residenciais). Und tatsächlich habe ich die Kneipenstraße gefunden, was gegessen, das Fußballspiel angeschaut (Palmeiras-Santos; incl klasse Tor von Neymar, dem aufstrebenden Stern am brasilianischen Fußball Himmel) und mich dann ein bisschen vom Nachtleben treiben lassen; eine Bar an der anderen, massenhaft junge Leute, Tanzmusik… nur Strom war irgendwie in der Haupt-Kneipen-Zone keiner da; aber die Brasilianer sind schließlich auch für ihr Improvisationstalent bekannt, da werden dann einfach Kerzen verteilt, man kuschelt sich in lauschigen dunklen Plätzen zusammen und die Leute singen halt selbst oder mit herkömmlichen Gitarren, die keinen Strom brauchen; zumindest so lang, bis der Notdienst der Stadtwerke da ist und die Stromleitung an einem der zahlreichen Masten wieder zusammen flickt!
Dummerweise fährt aber der letzte Bus vom Stadtzentrum aus um 21 Uhr wieder Richtung Alphaville, also musste ich dieses sehr empfehlenswerte Viertel leider viel zu früh verlassen, zum Glück habe ich auf dem Rückweg zur Metro noch einen Imbiss gefunden, der mir die typisch brasilianischen Käsebällchen und eine Dose Guaraná verkauft hat, die mir die Wartezeit an der Bushaltestelle verkürzt haben, die Busse haben hier ja bewusst keinen Fahrplan, sondern geben nur ihre Route an und wann sie am Startpunkt abfahren, alles andere ergibt sich dann je nach Verkehr. Aber zum Glück sind auf der Avenida Paulista auch nachts noch viele Leute unterwegs, auffallend viele Skateboarder, sogar einer, der seinen Trolley hinter sich her zog!!

Am Sonntag hat mich ein Arbeitskollege auf einen kleinen Ausflug ins Umland eingeladen, also bin ich mit Arthur und seiner Frau nach Santana de Parnaíba gefahren, einen Stadt, deren Gebiet an Barueri/Alphaville grenzt und somit vom dortigen überwuchernden Boom der Recidenciais profitiert, die sich weit auf das eigene Gebiet erstrecken; aber abgesehen davon gibt’s auch einen kleinen historischen Stadtkern aus der Gründerzeit (1580, für brasilianische Verhältnisse steinalt!)
Das wunderschöne historische Zentrum mit seinen bunten Kolonialhäusern ist zum Glück komplett unter Denkmalschutz gestellt, samt den steilen Straßen, die teilweise auch den Veitsburghügel in den Schatten stellen, woran man merkt, dass die hier offensichtlich keinen Frost und keinen Schnee kennen ;-)
Leider hat diese kleinen Städtchen seinen damaligen Reichtum und die Bedeutung einer für die brasilianische Geschichte sehr einschneidenden Gruppe von Personen zu verdanken; den sogenannten Bandeirantes, die Santana de Parnaíba quasi als Basislager nutzen und von hier aus ins Landesinnere vordrangen, um die indigene Bevölkerung Brasiliens als Sklaven auf die Zuckerrohrplantagen an der Küste zu verschleppen und auch den ursprünglichen Urwald zurückdrängten, um Platz für die „Zivilisation“ zu schaffen, woran ein großes Monument und zahlreiche Plaketten an den Wohnhäusern der jeweiligen berühmt-berüchtigten Bandeirantes zeugen.

Zu unserem Glück war aber gerade heute ein großes Fest auf dem Vorplatz der Kirche (aus dem Jahre 1560); mit Gruppen, die traditionelle Gesänge begleitet von Trommeln vortrugen, einem kleinen Kunsthandwerkermarkt und einigen Zuschauern. War sehr interessant, auch mal die zu sehen, wie das Leben in Brasilien außerhalb der Großstadt aussieht.

Und nach einem ausgiebigen Essen mit Fleisch, Pastel de queijo, frittierten Bananen, geröstetem Maniokmehl und natürlich Reis mit Bohnen haben wir uns zum Nachtisch noch eine kleine Mangocreme gegönnt. Auf dem Rückweg sind wir an einer traditionellen Cachaçaria vorbei gefahren, die etwas abseits am Ende eines kleinen Feldwegs im Wald versteckt liegt. Der stolze Betreiber hat uns den Prozess vom Zuckerrohr zum fertigen Schnaps erklärt und uns mal in den Brennkessel schauen lassen und zum Abschluss gabs natürlich eine Verköstigung vom Fass. Und dann wurde mir plötzlich klar, warum die Caipis hier so verdammt stark sind, denn der Liter Cachaça kostet beim Erzeuger frisch vom Fass grad mal 7 Real, also ungefähr 3Euro!!
Und als der Kerl mitbekommen hat, dass ich ein Touri aus Deutschland bin, wollte er mir auch unbedingt noch zeigen, was sein extralang gelagerter, dafür aber auch besonders starker (ca. 50% Alkohol) Cachaça so kann…
Danach gings über die kleinen Straßen bergauf-bergab (von wegen Hoch-EBENE) wieder zurück und ich war ehrlich gesagt froh, im Hotel erst mal kurz abliegen zu können…